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Berliner Abendblatt 30.06.2012 online Version Print Version als PDF

„Wie ein Blitz aus heiterem Himmel"


Bezirksverordnete beschäftigen sich mit der geplanten Schließung der Peter-Witte-Schule

Wittenau. Wird die gut funktionierende Peter-Witte-Grundschule an der Rathauspromenade geschlossen, weil kein Geld für den Brandschutz da ist? Darum ging es am Dienstag dieser Woche bei einer Sondersitzung des Bau- und Schulausschusses, bei der auch Lehrer und Eltern zu Wort kamen. Das vorläufige Ergebnis: Bis September wollen sich die Bezirksverordneten ein genaueres Bild machen und eine Empfehlung aussprechen. Viele Eltern und Kinder waren gekommen, um vor dem Rathaus für ihre Schule zu demonstrieren. Ein eigens komponiertes Protestlied schallte aus Lautsprechern, Plakate wurden hoch gehalten, das Pflaster bemalt, und Ballons in den grün-gelben Schulfarben stiegen in die Luft. Was war passiert? Wie berichtet, gaben Baustadtrat Martin Lambert und Schulstadträtin Katrin Schultze-Berndt am Tag der Zeugnisausgabe am 19. Juni bekannt, dass aus der geplanten Sanierung der 40 Jahre alten Schule nichts werden würde. Bei der brandschutztechnischen Untersuchung hat sich herausgestellt: Es gibt so viele Sicherheitsmängel, dass nicht – wie geplant – 1,5 Millionen Euro, sondern vier Mal so viel Geld gebraucht würde, um die Auflagen zu erfüllen.

Deshalb, so hieß es in dem Schreiben an die Eltern, soll in den Sommerferien die Schule so hergerichtet werden, dass sie nur noch zwei Jahre (eventuell auch vier) Jahre weiterlaufen kann. Für den Jahrgang 2012/13 könnten noch Kinder aufgenommen werden, im kommenden Jahr aber nicht mehr. Momentan besuchen 300 Kinder die Schule. Die Nachricht habe sie wie „ein Blitz aus heiterem Himmel" getroffen, sagte Schulleiterin Martina Hanelt. Sie sei immer noch fassungslos. Sie beschrieb den Ausschussmitgliedern, was die Peter-Witte-Schule auszeichnet: ungezählte Projekte und Aktivitäten, den Schwerpunkt „Bewegung und gesunde Ernährung", enger Kontakt mit Eltern und Förderverein, Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern wie Sportvereinen, gute Ausbildung von Junglehrern, gelungene Integration von behinderten Kindern, kaum Gewalt. „Wir sind eine perfekt funktionierende Schule", sagte Hanelt unter dem Applaus der Eltern. Die Anmeldezahlen seien seit vielen Jahren so hoch, dass Plätze verlost werden müssten. Und schließlich sei die Schule eine von nur drei Reinickendorfer Grundschulen, die einen gebundenen Ganztagsbetrieb habe. „Gebäude kann man abreißen und neu bauen, die Gemeinschaft der Peter-Witte-Schule aber muss bestehen bleiben", sagte sie. Sie forderte, auch im nächsten Jahr noch einschulen zu dürfen. Andernfalls käme die Arbeit ins Stocken: Schon getätigte Anmeldungen würden zurückgenommen, das Schulpersonal schaue sich garantiert schnell nach einem neuen Arbeitsplatz um, die Angebote für die Kinder müssten eingeschränkt werden. Etliche der Bezirksverordneten kritisierten ebenfalls das Vorgehen der Stadträte Lambert und Schultze-Berndt. Bis zu dem Elternschreiben hätten sie nichts von der Misere gewusst; sie fühlen sich übergangen. „So einen Brief ohne Rücksprache rauszuschicken, das geht gar nicht", sagte der Grüne Hinrich Westerkamp. Jetzt müsse die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) darüber diskutieren, ob eine – womöglich preisgünstigere – Sanierung möglich sei oder ob es Alternativen gebe. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Gilbert Collé sprach von einem „kommunikativen und politischen Desaster". Immerhin: Einen formalen Bezirksamtsbeschluss, die Schule zu schließen, gibt es nicht. Dazu bedarf es übrigens der Zustimmung der Senatsverwaltung. Schulstadträtin Katrin Schultze-Berndt machte den Lehrern, Eltern und Kindern aber nicht viel Hoffnung. Sie müsse auf die Entwicklung der Schülerzahlen schauen – und da stelle sich heraus, dass die Peter-Witte-Schule nicht unbedingt notwendig sei. Sie rechnet: Von den 33 bis 40 schulpflichtigen Kindern im Einzugsgebiet hätten sich im vergangenen Jahr rund die Hälfte in der Peter-Witte-Schule angemeldet; die andere Hälfte sei auf Wunsch der Eltern aus anderen Ortsteilen dazugekommen. Die Schülerzahlen im Einzugsbereich würden in den kommenden Jahren in etwa gleich bleiben. Fazit: Die Kinder aus der unmittelbaren Umgebung könnten in der Ringelnatz-Schule an der Wilhelm-Gericke-Straße untergebracht werden. Für Erstklässler aus anderen Ortsteilen wie dem Märkischen Viertel sei in den Schulen vor Ort genug Platz. Mit diesem Thema – der Entwicklung der Schülerzahlen – werden sich nun die Bezirksverordneten auseinander setzen. Auch Die Linke, die in der BVV nicht vertreten ist, tut etwas. Der Abgeordnete Hakan Tasch hat eine Anfrage an den Schulsenator gestellt. „Eine erfolgreiche und gut nachgefragte Schule darf nicht im Hauruckverfahren und ohne Prüfung geschlossen werden", sagt der Reinickendorfer Bezirksvorsitzende Felix Lederle. susch