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Chronologie einer abgewehrten Schließung einer Grundschule in Reinickendorf

von KollegInnen der Peter-Witte-Schule

Rechtzeitig« – genau einen Tag vor den Sommerferien erfahren wir von der Bezirksstadträtin Schultze-Bernd (CDU) in Form eines Briefes, dass unsere Grundschule, die Peter-Witte-Schule geschlossen werden soll. Eine vierseitige Grobschätzung habe zutage gebracht, dass es gravierende Mängel des Brandschutzes gebe und 6,5 Millionen Euro nötig wären, um diese zu beheben. Die Schule sei somit zu teuer;

bereits lang geplante Sanierungsmaßnahmen, die erst wenige Tage zuvor noch in der Presse für die Schule angekündigt wurden, werden nun nicht mehr durchgeführt. Entsetzen und Unverständnis Wir sind zutiefst betroffen, da weder die Schulleitung noch die Elternschaft im Vorfeld über die geplanten Maßnahmen informiert worden sind: Diese Nachricht traf uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Entsetzen herrscht nicht nur bei uns, den LehrerInnen und Erzieherinnen, sondern auch bei den 301 Kindern sowie deren Eltern, die zusammen mit den Zeugnissen den Brief über die geplante Schulschließung erhalten. Was für ein Ferienbeginn! Unverständnis herrscht vor allem deswegen, weil die Peter-Witte-Schule eine von drei gebundenen Ganztagsschulen im Bezirk Reinickendorf ist und besonders unsere Schule erfreut sich seit Jahren größter Beliebtheit. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das engagierte, gut zusammenarbeitende Team aus LehrerInnen, Erzieherinnen und Eltern im Laufe der Jahre eine äußerst effektive und entspannte Lern- und Freizeitatmosphäre geschaffen und viele Projekte ins Leben gerufen hat, was auch die Schulinspektion mit Bestnoten gewürdigt hat. Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren zahlreiche kostenintensive Ausbauten, Sanierungsmaßnahmen und Anschaffungen getätigt worden sind. So wurde der Schulhof durch EU-Gelder in eine Art Abenteuerspielplatz umgerüstet und die Elternschaft hat eine fünfstellige Summe in Spiel- und Sportgeräte investiert. Ein Gutachten ohne Ortskenntnis Daher ist es unverständlich, dass kein gemeinsames Gespräch mit allen Beteiligten gesucht wurde, um Lösungen zum Erhalt einer der erfolgreichsten Grundschulen Reinickendorfs zu finden. Alternativvorschläge wurden nicht unterbreitet. LehrerInnen, Erzieherinnen, Eltern und SchülerInnen müssen sich nun mit der existenziellen Frage »Wie geht es weiter?« beschäftigen. Schnell zeigt sich der Zusammenhalt der Beteiligten sowie deren Wille, trotz der verdienten Sommerferien um den Erhalt der Schule zu kämpfen. Erste Protestaktionen fangen gleich spontan am Dienstag, am Tag der Zeugnisausgabe an. In den Ferien werden Plakate entworfen, das Straßenland vor der Schule mit leuchtenden Kreiden bemalt, Kontakt zu anderen Fraktionen sowie zu Sachverständigen (Brandschutz) aufgenommen. Der Kampfgeist aller ist erwacht. Immer wieder gibt es kritische und fundierte Nachfragen von unserer Seite zur Substanz des Gutachtens. Daraufhin lässt das Bezirksamt ein offizielles Gutachten (40 Seiten!) erstellen. Der Widerstand der Eltern und Kollegen wurde wohl unterschätzt. Und nun, nur einige Wochen später, löst sich ein Sommerschock, der vielen Beteiligten die Ferien gekostet hat, in Luft auf. Der erste Baugutachter hat völlig überhöhte Sanierungskosten angesetzt. Der zweite Gutachter stellt fest, dass die Sanierungskosten samt Brandschutz lediglich bei 2,5 Millionen Euro liegen, also vier Millionen Euro weniger. Laut Baustadtrat Lambert kann diese Summe vom Bezirk getragen werden. Ende gut, alles gut? Aber wie kam es zu den widersprüchlichen Angaben? Der erste Baugutachter hatte offenbar nur eine vage Schätzung vorgenommen, auch war er nie vor Ort in der Schule, sondern hat sich nur auf Fotos und Baupläne gestützt. Eltern schließen nicht aus, dass es politische Ränkespiele gab, die Schule zu schließen. Abgeordnete anderer Fraktionen werfen der Schulstadträtin schwerwiegende Versäumnisse und fehlende Transparenz vor. Es stellt sich die Frage, ob das Konzept der Ganztagsschule wirklich von der Bezirksstadträtin getragen wird. »Angesichts der sinkenden Schülerzahlen kommt dem Bezirk die Möglichkeit zur Schließung eines Standortes möglicherweise gerade recht«, vermutet SPD-Fraktionschef Gilbert Collé. Mitglieder anderer Fraktionen äußerten, dass ohne das entschlossene Engagement der Betroffenen das Bezirksamt wohl brav dem falschen Gutachten gefolgt wäre und die Schule geschlossen hätte. Für die Kinder war die Angst um ihre Schule wahrlich nicht schön, aber sicherlich lehrreich. Die Schüler haben hautnah erleben dürfen, was es bedeutet, sein Mitspracherecht wahrzunehmen, und sie haben erfahren, dass es sich auszahlt, sich zur Wehr zu setzen und gemeinsam für eine Sache einzustehen und zu kämpfen! Vielleicht hat ja auch die Schulstadträtin etwas gelernt? Eine unumgängliche Schließung einer Schule voreilig zu verkünden auf der Grundlage eines Gutachtens, das sich dann als haltlos erweist, ist wahrlich keine Glanzleistung.